Die Vergabe öffentlicher Aufträge ist ein wesentliches Element des EU-Binnenmarkts. Sie ermöglicht es den Behörden in den Mitgliedstaaten, beim Erwerb von Bauleistungen, Waren und Dienstleistungen ein optimales Kosten-Nutzen-Verhältnis zu erzielen, indem sie die Unternehmen auswählen, die die beste Leistung bieten. Dies trägt wiederum zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit von Märkten und zum Schutz des öffentlichen Interesses bei. Der Hof stellte fest, dass der Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge in den vergangenen 10 Jahren zurückgegangen ist und dass die 2014 erfolgte Reform der EU-Richtlinien offenbar nicht dazu geführt hat, diesen Trend umzukehren. Insgesamt ist kein ausreichendes Bewusstsein für den Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vorhanden. Die verfügbaren Daten werden nicht systematisch genutzt, um die Ursachen für den Rückgang des Wettbewerbs zu ermitteln, sondern es werden nur vereinzelte Maßnahmen zum Abbau von Hindernissen ergriffen. Der Hof gelangt zu dem Schluss, dass die wichtigsten Ziele der EU-Reform von 2014, durch die der Wettbewerb sichergestellt werden sollte, wie die Vereinfachung und Verkürzung der Vergabeverfahren, nicht erreicht worden sind und dass einige der Ziele sogar zu einer Verringerung des Wettbewerbs führen können. Der Hof empfiehlt, die Ziele bei der Vergabe öffentlicher Aufträge klar festzulegen und zu priorisieren, die Lücken bei den über die Vergabe öffentlicher Aufträge erhobenen Daten zu schließen, die Überwachungsinstrumente zu verbessern, um eine bessere Analyse zu ermöglichen, die Ursachen eingehender zu analysieren und einen Aktionsplan zur Überwindung der wichtigsten Wettbewerbshindernisse bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vorzulegen.
Schlussfolgerungen und Empfehlungen
Insgesamt gelangt der Hof zu dem Schluss, dass der Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge über Bauleistungen, Waren und Dienstleistungen im EU-Binnenmarkt in den letzten 10 Jahren zurückgegangen ist. Es fehlt das Bewusstsein dafür, dass Wettbewerb bei der Vergabe von Aufträgen eine grundlegende Voraussetzung für die Erzielung eines optimalen Kosten-Nutzen-Verhältnisses darstellt. Die Kommission und die Mitgliedstaaten haben die verfügbaren Daten nicht systematisch genutzt, um die Ursachen des begrenzten Wettbewerbs bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zu ermitteln, und sie ergriffen nur vereinzelte Maßnahmen zum Abbau der Hindernisse.
Im Jahr 2021 waren drei Schlüsselindikatoren, die der Messung des Wettbewerbs bei der Vergabe öffentlicher Aufträge dienen („Keine Ausschreibung“, „Verfahren mit nur einem Bieter“, „Anzahl der Bieter“), in den meisten Mitgliedstaaten nach wie vor unbefriedigend. Direktvergaben machten rund 16 % aller Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge im Binnenmarkt aus (siehe Ziffern 31–33).
Über 40 % aller Auftragsvergaben erfolgten im Rahmen von Verfahren mit nur einem Bieter. Die Datenanalyse des Hofes zeigt auch, dass sich der Anteil der Verfahren mit nur einem Bieter in den 27 EU-Mitgliedstaaten zwischen 2011 und 2021nahezu verdoppelt hat, während sich die Zahl der Bieter pro Verfahren fast halbiert hat (siehe Ziffern 35–36).
Erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten und Regionen deuten darauf hin, dass die öffentlichen Auftraggeber der Mitgliedstaaten im Hinblick auf ihre Vergabepraxis unterschiedliche Ansätze verfolgen. Zudem stellte der Hof fest, dass diese Indikatoren in den verschiedenen Wirtschaftszweigen ein uneinheitliches Bild abgaben, was den Anteil der öffentlich vergebenen Aufträge und die Entwicklung der Indikatoren in den vergangenen 10 Jahren betrifft (siehe Ziffern 34, 37–39). Darüber hinaus analysierte der Hof auch andere Aspekte der Leistung des öffentlichen Auftragswesens im EU-Binnenmarkt, wie die direkte grenzübergreifende Auftragsvergabe, die nach wie vor nur 5 % aller Auftragsvergaben ausmacht. Außerdem kann sich der unzureichende Wettbewerb auf die Beschaffungspreise auswirken und zu höheren Kosten führen. Da die Kommission keine Preisdaten überwacht, ist unklar, inwieweit sich der rückläufige Wettbewerb bereits auf die Kosten von öffentlichen Bauleistungen, Waren und Dienstleistungen ausgewirkt hat (siehe Ziffern 41–46).
Die 2014 durchgeführte Reform der Richtlinien zielte darauf ab, die Vergabe öffentlicher Aufträge einfacher und flexibler zu gestalten, die Transparenz der Verfahren zu erhöhen, einen leichteren Zugang für KMU zu gewährleisten und das öffentliche Auftragswesen strategisch zu nutzen, um zur Erreichung der politischen Ziele der EU beizutragen. Die Datenanalyse des Hofes ergab, dass sich infolge dieser Reform die Vorgehensweise der öffentlichen Auftraggeber bei der Vergabe von Aufträgen noch nicht deutlich verbessert hat. Was den Aspekt der Vereinfachung betrifft, so stellte der Hof keine deutliche Verbesserung fest, die dazu beigetragen hätte, öffentliche Aufträge attraktiver zu machen. Die durchschnittliche Dauer der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge hat sich seit 2011 um die Hälfte erhöht.
Initiativen wie die Einheitliche Europäische Eigenerklärung und elektronische Formulare zeigen, dass sich die Kommission bemüht, die Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge zu vereinfachen und den damit verbundenen Verwaltungsaufwand zu verringern; welche Auswirkungen diese Initiativen haben, muss sich jedoch erst noch zeigen. Damit solche Initiativen Wirkung entfalten können, müssen sie auf breiter Ebene eingeführt werden. Dies erfordert eine anhaltende Unterstützung durch die Kommission (siehe Ziffern 48–56).
114 Der Hof gelangt ferner zu dem Schluss, dass die anderen Ziele noch nicht erreicht wurden, da seine Analyse zeigt, dass sowohl die Ausschreibungsraten als auch die Teilnahme von KMU an öffentlichen Vergabeverfahren im geprüften Zeitraum unzureichend blieben. Die Förderung der strategischen Auftragsvergabe mit dem Ziel, ökologische, soziale oder innovative Aspekte stärker zu berücksichtigen, hatte insgesamt nur begrenzte Auswirkungen, da der Anteil der Verfahren, bei denen andere Zuschlagskriterien als der Preis zugrunde gelegt werden, trotz der Reform von 2014 sehr begrenzt ist. Einige Ziele der Reform von 2014 sind nicht auf eine Förderung des Wettbewerbs ausgerichtet, sondern stehen diesem mitunter sogar entgegen, und die verschiedenen Aspekte der Leistung des öffentlichen Auftragswesens werden nicht erfasst (siehe Ziffern 57–66).
Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofs gemäß Artikel 287 Absatz 4 Unterabsatz 2 AEUV.